Können Hunde ein Trauma im Agility entwickeln?

Schnell ist es passiert - der Hund kracht in einen Sprung und meidet diesen danach. Jetzt kommt es darauf an, wie der Hund mit dieser Situation umgehen kann. Den meisten Hunden wird solch eine Situation nicht sonderlich viel ausmachen, da sie über genügend Selbstbewusstsein verfügen, das Ereignis als nicht lebensbedrohlich einzuordnen. Doch wie ergeht es einem Hund, der nicht über das nötige Selbstbewusstsein verfügt und überdies hinaus vielleicht auch noch eine unsichere Charakterausprägung mitbringt? Wie wirkt sich dies auf das Sprungverhalten des Hundes im Agility aus? Um diese Fragen beantworten zu können, müssen wir ein klein wenig weiter ausholen und uns genauer anschauen, was hinter solch einer Situation steckt. Ein Sturz in eine Hürde oder ein Zusammenstoß mit einem anderen Objekt, kann auch als ein Unfall beschrieben werden. Wir Menschen entwickeln in Folge eines Unfalls häufig durch den erlittenen Schock ein Trauma. Unseren Vierbeinern kann es leider ähnlich ergehen, denn auch Hunde können ein Posttraumatisches Belastungssyndrom (PTBS) entwickeln. Bei Hunden wird dies dann "caniner PTSD” genannt (z.B. Dodman 2016). Als Trauma wird eine psychische Ausnahmesituation beschrieben, welche durch überwältigende Ereignisse ausgelöst wird und eine Bedrohung für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen darstellt. Wenn wir nun die Sichtweise des Hundes einnehmen und versuchen emphatisch den Sturz in eine Hürde aus vollem Tempo nachzufühlen, so wird der ein oder andere Leser sicher fühlen, dass solch ein Erlebnis durchaus traumatisch für den betroffenen Hund sein könnte. Hunde lernen unteranderem durch positive aber auch durch negative Verknüpfungen. In solch einem Fall findet eine starke negative Verknüpfung mit dem kollidierten Objekt statt. Umso schwerwiegender wird dies, wenn der Hund bereits ähnliche Situationen ausgesetzt war oder in diesen Situationen eine Bezugsperson involviert war (vgl. Reddemann und Dehner-Rau 2007). Ein Lebewesen kann dann wie folgt reagieren:

  • komplexe Traumafolgestörung ( Kombination verschiedener Traumata über längeren Zeitraum, “komplexe PTBS”)

  • chronische Traumafolgestörung ( Abweichungen länger als 1 Monat, “PTBS”)

  • akute Traumafolgestörung ( Abweichungen nur für kurze Zeit)

    (Quelle: https://www.atm.de/blog/redaktionelles/ptbs-beim-hund-folgestoerungen-durch-traumata)

Im Agility wird dies dann sichtbar, wenn der Hund plötzlich ein unauthentisches Sprungverhalten entwickelt - der Hund fängt an sich vor dem Sprung zu stark zu versammeln. Häufig wird dies als Schwäche der Augen interpretiert und den Hunden ein “Early Takeoff Syndrom” zugesprochen. Ist diese Komponente jedoch medizinisch abgeklärt und wir bewerten nun auch die Psyche des Hundes, so müssen wir zu dem Ergebnis kommen, dass auch ein traumatisches Erlebnis das Sprungbild (oder sogar das komplette Laufverhalten) des Hundes beeinflussen kann. Der “will to please” steht im Konflikt eigentlich stressige Situationen lieber meiden zu wollen. In Folge dessen wirkt es so, dass solche Hunde mit sehr viel Kraft abspringen, um nicht noch einmal in die Hürde zu stürzen und sich ggf. verletzen. Der Hund möchte die traumatische Situation ja nicht noch einmal erleben müssen.

Die Auswirkungen auf die Psyche des Hundes sollten demnach bei Hunden die derartiges Verhalten zeigen stark berücksichtigt werden. Folgt man dieser Ausführung, gelangt man zu dem Ergebnis, dass nicht die Sprungtechnik das Problem ist, sondern das Trauma, das im Kopf des Hundes arbeitet.

Glücklicherweise können wir die klassische Konditionierung so nutzen, dass wir die traumatische Situation auch wieder positiv “umprogrammieren” können. Dabei geht es letztendlich nur darum, dem Hund ein sicheres und positives Gefühl so authentisch wie möglich zu vermitteln. Je nach Ausprägung des Traumas und Charakter des Hundes, bedarf dies sehr viel Zeit und Ruhe, um das negativ verknüpfte Verhalten zu überschreiben. Hunde sind den Menschen in vielen Belangen ähnlicher, als man vielleicht angenommen hat. Sie erleben negative Ereignisse emotional sehr ähnlich, wie auch wir sie erleben.

Wer sich nun ganz in die Sichtweise des Hundes versetzt hat, wird feststellen, dass sowas ja eigentlich an jedem Gerät im Agility passieren könnte? Richtig. Für die meisten Hunde sind brenzliche Situationen im Agility psychisch kein Problem und diese werden kein Trauma entwickeln bzw. die Gefahr ist nicht sehr hoch. Ist der Hund jedoch von Natur aus eher ängstlich und unsicher, so kann der Hund durchaus ein Trauma im Agility entwickeln. Die Gefahr besteht in der sehr schnellen negativen Verknüpfung kombiniert mit einem starken Schock. Kommt dann noch körperlicher Schmerz hinzu, kann ein komplexes Trauma entstehen. Wenn ihr Euren Hund wiedererkannt habt, lade ich Euch ein, die Perspektive zu verändern und die Sache einmal anders als gewohnt anzugehen.

Florian Förster

Quellen: Dodman, N. (2016) Psychological trauma can have far reaching effects in dogs Psychology Today, Oktober 2016

Ehring, T., (2019) Ratgeber Trauma und Posttraumatische Belastungsstörung Ehlers, A. Verlag hogrefe 2019

Reddemann, L. Dehner-Rau, C. (2007) Trauma, Trias Verlag 2007

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Die Erwartungshaltung des Hundes im Agility - Auswirkungen auf das Lauf- und Sprungverhalten

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